22

 

Mitten in der Nacht wachte Sam auf und fragte sich, ob er nicht einen Fehler begangen hatte. Was, wenn van Boom doch nicht so aufrichtig war, wie er sich gegeben hatte? Was war, wenn Firebrass dahinter steckte? Hatte er van Boom möglicherweise mit voller Absicht zu ihm geschickt, um ihm diese Geschichte aufzutischen? Gab es überhaupt einen besseren Weg, Sam dazu zu verleiten, einen Mann für absolut vertrauenswürdig zu halten? Nein. Dann hätte van Boom auch auf den Vorschlag Sams eingehen können, zum Schein mit Firebrass zusammenzuarbeiten.

»Ich fange schon an, wie John zu denken!« sagte Sam laut vor sich hin.

Er entschied sich schließlich, van Boom zu trauen. Zwar war der Mann ziemlich stur und manchmal auch ein wenig absonderlich – eben so, wie man sich einen Ingenieur vorstellte –, aber er hatte ein moralisches Rückgrat, das genauso unflexibel war wie das eines fossilen Dinosauriers.

Unterdessen nahm die Arbeit an dem großen Schiff bei Tag und Nacht ihren Fortgang. Die Platten der Schiffshülle wurden aneinandergefügt und die Trägerbalken geschweißt. Der Batacitor und die gigantischen Elektromotoren waren fertig; die Transportsysteme und Kräne befanden sich im Einsatz. Bei den Kränen handelte es sich um gewaltige Stahlbaukonstruktionen auf Schienen, die der Batacitor-Prototyp mit Energie versorgte. Menschen kamen über Tausende von Meilen in Katamaranen, Galeeren, Einbäumen und Kanus den Fluß herab, um sich die berühmte Baustelle aus der Nähe anzusehen.

Sam und König John waren sich darin einig, daß die herumlaufenden Schaulustigen nicht nur die Arbeiten behinderten, sondern auch etwaigen Spionen allzu günstige Arbeitsbedingungen verschafften.

»Außerdem wird die unmittelbare Nähe so vielen Metalls sie zu Diebstählen verleiten. Wir können nicht auch noch darauf achten, daß unsere Leute dadurch gereizt werden. Dafür haben sie einfach schon genug Ärger«, meinte Sam.

John unterzeichnete sofort die Anordnung, daß alle sich in Parolando aufhaltenden Fremden – davon waren nur Botschafter und Kuriere anderer Staaten ausgenommen – das Land sofort wieder zu verlassen hatten. Desgleichen war es ihnen nicht erlaubt, wieder zurückzukehren. Aber natürlich hielt das die Neugierigen nicht davon ab, während sie an Parolandos Ufer vorbeisegelten, die Hälse lang zu machen und zu gaffen. Man befestigte das Ufer mit hohen Erdwällen, war jedoch dazu gezwungen, da und dort eine Lücke freizulassen, damit die aus anderen Ländern kommenden, mit Holz, Erzen und Feuerstein beladenen Frachtschiffe anlegen konnten. Man sorgte jedoch dafür, diese Lücken so anzulegen, daß man von ihnen aus lediglich einen Blick auf eine der zahllosen Fabrikationshallen erhaschen konnte. Die hohen Kräne und das mächtige Werftgebäude selbst waren natürlich weithin zu sehen, nicht jedoch das im Bau befindliche Schiff selbst.

Nach einer Weile sank das Interesse an der Touristenattraktion Parolandos jedoch wieder, denn zu viele derjenigen, die sich auf die lange Reise begeben hatten, waren unterwegs in Sklaverei geraten. Schnell verbreitete sich die Nachricht, daß es gefährlich sei, sich in dieser Region aufzuhalten.

So vergingen sechs Monate. Und das Holz wurde erneut aufgebraucht. Der Bambus brauchte in der Regel zwischen drei und sechs Wochen, um wieder seine volle Größe zu erreichen; die Bäume runde sechs Monate. Alle Staaten, die sich in einem Umkreis von fünfzig Meilen befanden, gaben bekannt, selbst nur noch über soviel Holz zu verfügen, wie sie für eigene Bauprojekte brauchten.

Damit waren die Bevollmächtigten Parolandos gezwungen, Abschlüsse mit weiter entfernt liegenden Nationen zu tätigen und dort ihre Metalle gegen Holz zu tauschen. Nicht daß man nicht genügend Tauschmaterial in Parolando gehabt hätte, aber der Erzabbau für den Export entzog dem Schiffbau wertvolle Arbeitskräfte und außerdem begann die Zentralebene des Landes immer mehr einer wüsten Kraterlandschaft zu ähneln. Je mehr Holz ins Land kam, desto mehr mußte nach Metall geschürft werden. Die Arbeitskräfte wurden knapper. In dem Maße, wie sich der Holzimport steigerte, mußten auch neue Frachtschiffe auf Kiel gelegt werden, um die heißbegehrten Materialien heranzuschaffen, und eben dieses Holz fehlte dann den anderen Projekten. Männer mußten vom Schiffbau abgezogen und als Seeleute und Frachtschiffgardisten ausgebildet werden. Schließlich ging man dazu über, von den Nachbarstaaten Frachter zu leihen. Die wiederum mußten mit Rohmetall oder Waffen bezahlt werden.

Sam hatte sich eigentlich nichts sehnlicher gewünscht, als die Bauarbeiten an seinem Schiff von morgens bis abends zu überwachen, weil er nichts mehr liebte, als jeden auch noch so kleinen Fortschritt in der Konstruktion mitzubekommen, aber seine vielen anderen Aufgaben ließen ihm dazu keine Zeit. Er hatte Glück, wenn er es schaffte, zwei bis drei Stunden am Tag in der Werft zu sein, und versuchte deswegen, John ein wenig mehr administrative Entscheidungen zu überlassen. Der Versuch erwies sich als Reinfall: John war nur dann bereit, Mehrarbeit zu leisten, wenn diese ihn auch ermächtigte, mehr Macht über die Streitkräfte zu erlangen und Druck auf jene Leute auszuüben, die gegen ihn opponierten. Sams Theorie, daß demnächst seine engsten Mitarbeiter bei Unfällen ums Leben kommen würden, bestätigte sich nicht. Dennoch ließ er seine Leibwächter die Augen offen halten. Möglicherweise hatte John auch nur vor, ihn und seine Vertrauten eine Weile in Sicherheit zu wiegen. Sicher war er inzwischen zu dem Schluß gekommen, daß es besser sei, erst dann zuzuschlagen, wenn das Schiff fertig war.

Eines Tages sagte Joe Miller: »Fäm, würdeft du ef für möglich halten, daf du dich in John getäuft haft? Glaubft du, er hat fich damit abgefunden, der Erfte Offifier deinef Fiffef fu werden?«

»Glaubst du, ein Schäfer würde sich seiner Hunde entledigen, solange sie seine Arbeit tun?«

»Waf?«

»John ist von Grund auf schlecht. Moralisch gesehen war natürlich keiner der alten englischen Könige ein Musterknabe, und der einzige Unterschied zwischen ihnen und Jack The Ripper bestand darin, daß sie ihre Untaten öffentlich begingen und dazu noch den Segen der Kirche erhielten. John schlug allerdings dermaßen aus der Art, daß es nach ihm in England Tradition wurde, niemanden mehr zum König zu machen, der den gleichen Namen trug wie er. Nicht einmal die Kirche war dazu in der Lage, diese Kröte zu schlucken. Der Papst belegte die ganze Nation mit dem Bann, und John blieb nichts anderes übrig, als wie ein Hündchen vor ihn hinzukriechen und um Gnade zu winseln. Aber ich bin sicher, daß er es dennoch schaffte, dem Papst in dem Moment, als er vor ihm kniete, in die große Zehe zu beißen und von seinem Blut zu trinken. Und ich zweifle nicht daran, daß der Papst anschließend in seinen Taschen nachsah, ob ihm nichts fehlte.

Was ich damit sagen will, ist, daß John sich nicht einmal dann ändern könnte, wenn er es aus eigenem Willen wollte. Er wird immer ein menschlicher Vielfraß, eine Hyäne und ein Stinktier bleiben.«

Joe saugte an einer Zigarre, die länger als seine Nase war, und sagte: »Nun ja, ich weif nicht. Menfen können fich jedenfallf verändern. Du follteft nur einen Blick auf diefe Kirche der F-f-weiten Chance werfen. Und Göring. Oder dich. Du haft mir selbft erfählt, daf die Frauen fu deinen Lebfeiten fo hochgefloffen gekleidet waren, daf du fo von den Pocken warft, wenn du nur mal einen Unterfenkel fehen konnteft, von einem Oberfenkel – Jungejunge! – ganf fu f-fweigen. Und jetft f-fauft du nicht einmal mehr hin, wenn…«

»Ich weiß! Ich weiß!« rief Sam aus. »Verhaltensweisen und konditionierte Reflexe – wie die Psychologen es nennen – können verändert werden. Darauf basiert ja auch meine Annahme, daß all die Leute, die ihre rassistischen oder sexuellen Vorurteile mit hierher gebracht haben, sich einfach dessen, was der Fluß ihnen bietet, nicht bewußt sind. Natürlich kann ein Mensch sich ändern, aber…«

»Er kann ef alfo?« fragte Joe. »Aber du haft doch immer getagt, daf allef im Leben, fogar die Art und Weife in der ein Menf denkt und handelt, darauf bafiert, waf vor feiner Geburt gefah. Waf foll daf? Daf ift doch eine determiniftife Filofofie, nichtf weiter. Wenn du anderfeitf der Meinung bift, daf allef einem beftimmten Kurf folgt, daf die Menfen fofufagen Mafinen find – wie kannft du dann glauben, daf fie fich ändern können?«

»Nun«, erwiderte Sam mit finsterem Blick und runzelte dermaßen die Stirn, daß sich seine buschigen Augenbrauen senkten, »nun, das heißt, daß selbst meine Theorien in gewisser Weise vorherbestimmt sind. Und wenn sie miteinander in Konflikt geraten, stehe ich im Dunkeln.«

»Wefwegen, um Himmelf willen«, sagte Joe und warf seine wagenradgroßen Hände in die Luft, »ftehen wir dann hier herum und difkutieren darüber? Warum tun wir überhaupt etwaf? Wäre ef nicht beffer, du gäbft einfach auf?«

»Ich kann einfach nicht dagegen an«, sagte Sam. »Denn als das erste Atom dieses Universums gegen das zweite prallte, war mein Schicksal bereits entschieden und meine Gedanken und Handlungen vorherbestimmt.«

»Dann kanft du für daf, waf du fuft, auch nicht… äh… verantwortlich fein, ftimmtf?«

»Das ist richtig«, sagte Sam. Er fühlte sich ziemlich unbehaglich.

»Und demgemäf kann John auch nichtf dafür, daf er ein dreckiger, blutgieriger Hundefohn und Halunke ift?«

»Nein, aber genauso wenig kann ich etwas dafür, daß ich ihn für einen dreckigen, blutgierigen Hundesohn und Halunken halte.«

»Daf führt mich fu der Annahme, daf, wenn jetft ein Mann käme, der viel mehr weif alf ich und dir mit kältefter Logik beweifen würde, daf deine Filofofi falf ift, du ihm fagen würdeft, daf er auch nichtf dagegen tun kann, daf er diefe Anficht vertritt. Er muf ganf einfach auf der falfen Fährte fein, weil auch fein Denken voraufbeftimmt ift und er fich gar nicht anderf verhalten kann.«

»Ich weiß, daß ich recht habe«, sagte Sam verdrießlich und paffte an seiner Zigarre. »Dieser hypothetische Mann könnte mich schon deswegen nicht überzeugen, weil sein Denken nicht seinem freien Willen entspringt. Sein Denken wäre wie ein vegetarisch lebender Tiger – und ein solcher existiert nicht.«

»Aber auch dein Denken entfpringt keinem freien Willen.«

»Klar. Wir werden alle verarscht. Wir glauben, was wir glauben sollen.«

»Und du lachft über jene Leute, von denen du fagft, fie feien von einem unfichtbaren Fleier der Ignoranf umgeben? Du bift selbft der gröfte Ignorant, den ich kenne, Fäm.«

»Der Herr möge uns vor Affen bewahren, die sich für Philosophen halten!«

»Na bitte! Wenn dir nichtf mehr einfällt, wirft du beleidigend! Gib ef fu, Fäm. Waf dir fehlt, ift daf logische Ftandbein!«

»Du begreifst einfach nicht, was ich sagen will«, erwiderte Sam finster. »Und das liegt an dem, was du bist.«

»Du follteft dich hin und wieder einmal mit Fyrano de Bergerac unterhalten, Fäm. Er ift f-f-war ein genaufo grofer Fyniker wie du, aber waf die Vorherfehung angeht, hat er fich fo weit noch nie hinreifen laffen.«

»Ich kann mir nicht mal vorstellen, wie es euch möglich ist, ein Gespräch zu führen. Macht es euch eigentlich nicht zu schaffen, daß ihr euch so ähnlich seht? Wie könnt ihr euch überhaupt gegenüberstehen, ohne nicht gleich in Gelächter auszubrechen, wenn ihr eure Nasen seht? Wie zwei Ameisenbären, die…«

»Beleidigungen! Nichtf alf Beleidigungen! Oh, waf foll daf allef denn blof?«

»Ja, eben«, knurrte Sam ungnädig. Ohne ihm gute Nacht zu wünschen zog Joe sich zurück. Sam hielt ihn auch nicht auf. Joe war jetzt sauer. Obwohl er wirklich mit seiner niedrigen Stirn, den mit Knochenwülsten umgebenen Augen, der gurkenförmigen Nase und seinem gorillaähnlichen, haarigen Äußeren nicht sonderlich schlau aussah, verbarg sich hinter seinen kleinen blitzblauen Augen und seinem gräßlichen Lispeln eine gehörige Portion Intelligenz.

Joes Hinweis darauf, daß sein Glaube an die Vorsehung nur eine Alibifunktion darstellte, um von seinem Schuldkomplex abzulenken, war Sam unangenehm gewesen. Welche Schuld hatte er überhaupt? Er fühlte sich für alles Schlechte, das denen, die er liebte, zustieß, verantwortlich.

Er befand sich in einem philosophischen Irrgarten, der unweigerlich in einem Sumpfgebiet endete. Glaubte er deswegen an eine Vorsehung, weil er sich damit von seinen Schuldgefühlen freikaufen wollte?

Joe hatte recht. Es war Unfug, darüber auch nur nachzudenken: Wenn das Denken eines Menschen wirklich von zwei vor langer Zeit aufeinandergeprallten Atomen bestimmt wurde, wie kam er dann überhaupt auf die Idee, Samuel Langhorne Clemens alias Mark Twain zu sein?

In dieser Nacht blieb Sam länger auf als üblich. Aber statt an seinen Plänen zu arbeiten, vertilgte er mindestens ein Fünftel des mit Fruchtsaft gemischten Äthylalkoholvorrats.

Noch zwei Monate zuvor hatte Firebrass verlauten lassen, daß er sich wundere, daß Parolando offensichtlich unfähig sei, Äthylalkohol herzustellen. Sam hatte darauf mit Verwunderung reagiert, denn er wußte gar nicht, daß so etwas möglich war. Bisher hatte er die Gräle für die einzige Alkoholquelle der Menschheit gehalten.

Aber nein, hatte Firebrass erwidert, ob ihm denn keiner seiner Chemiker einen Hinweis darauf gegeben habe? Wenn man über einige nötige Dinge wie Säure, Kohlengas oder Azetataldehyd und einen brauchbaren Katalysator verfüge, könne man Holzzellulose in Äthylalkohol umwandeln, das sei doch allgemein bekannt. Allerdings sei Parolando das einzige Land – seinen Informationen nach – das über diese Möglichkeiten verfüge.

Sam hatte sofort nach van Boom geschickt und die Antwort erhalten, es seien genügend Grundstoffe vorhanden, um damit jeden Bewohner von Parolando über kurz oder lang zum Alkoholiker zu machen. Er hatte dieses Wissen nur deswegen nicht weitergegeben, weil er sich vor Besäufnissen fürchtete, die die Arbeiten lahm legen könnten.

Sam hatte sofort die Möglichkeiten prüfen und einige Leute an die Arbeit gehen lassen, und jetzt wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Flußwelt Alkohol in großen Mengen produziert. Das gefiel nicht nur den Leuten (ausgenommen natürlich den Chancisten), sondern sorgte außerdem noch dafür, daß sich in Parolando ein völlig neuer Industriezweig etablierte. Und bald tauschte man Alkohol gegen Holz und Bauxit.

Schließlich ging Sam zu Bett, und zum ersten Mal in seinem neuen Leben verschlief er das Morgengrauen. Am nächsten Tag verlief alles wieder wie üblich.

Zusammen mit John sandte er Iyeyasu die Botschaft, daß man es als feindlichen Akt betrachten würde, sollte er den Versuch unternehmen, sich auch noch den Rest des Ulmak-Reiches unter den Nagel zu reißen oder die Finger nach Chernskys Land auszustrecken.

Iyeyasu erwiderte, daß er keinesfalls die Absicht habe, sich diese Länder einzuverleiben, und fiel kurz darauf in das Gebiet Sheshshubs ein. Sheshshub, ein Assyrer aus dem siebten Jahrhundert vor Christi, war ein General Sargon des Zweiten gewesen. Wie viele andere Männer, die auf der Erde eine gewisse Machtfülle besessen hatten, war er auch hier wieder in eine gewisse Position aufgestiegen. Er lieferte Iyeyasu einen guten Kampf, konnte sich allerdings der zahlenmäßig und waffentechnisch überlegenen Invasoren nicht lange erwehren.

Iyeyasu stellte ein echtes Problem dar, aber es gab noch eine Reihe von anderen, die Sam Tag und Nacht nicht zur Ruhe kommen ließen. Schließlich meldete sich Hacking wieder und ließ Sam durch Firebrass die Botschaft übermitteln, daß man nicht bereit sei, sich länger hinhalten zu lassen. Er wolle nun endlich das Metallboot haben, das man ihm vor langer Zeit zugesagt habe. Sam versuchte sich mit technischen Schwierigkeiten herauszureden, aber Firebrass erwiderte, das sei jetzt nicht länger vertretbar. Schließlich ließ man die Feuerdrache 1II vom Stapel.

Sam besuchte Chernsky, um ihm zu versichern, daß Parolando sein Land beschützen würde. Als er nach Hause zurückkehrte und etwa eine halbe Meile von den heimatlichen Gefilden entfernt war, wäre er beinahe erstickt. Solange er in Parolando gewesen war, war ihm überhaupt nicht aufgefallen, welche Luftverschmutzung dort herrschte. Erst die Reise nach Cernskujo hatte seine Lungen wieder gereinigt.

Es war ein Gefühl, als nähere man sich einem Chemiewerk, und selbst die Tatsache, daß der Wind sich mit einer Geschwindigkeit von fünfzehn Meilen in der Stunde bewegte, konnte den Eindruck nicht verdrängen, daß man sich auf eine einzige riesige Giftwolke zubewegte. Die Luft über Parolando sah wie Nebel aus. Kein Wunder, daß sich das südlich gelegene Publiujo laufend beschwerte.

Und das große Schiff wuchs weiter. Wenn er vor dem Vordereingang seines wieder instandgesetzten Hauses auf und ab ging, wurde Sam jeden Tag aufs neue für seine schlaflosen Nächte und den trostlosen Anblick, den das Land seinen Augen darbot, entschädigt. In weiteren sechs Monaten würden die drei Decks fertig sein und man konnte die gewaltigen Schaufelräder installieren. Anschließend würde man jenen Teil der Hülle, der mit dem Wasser in unmittelbaren Kontakt kommen würde, mit einer Kunststoffschicht überziehen. Diese würde nicht nur eine Elektrolyse des Magnaliums verhindern, sondern auch die Wasserturbulenz reduzieren und so die Geschwindigkeit des Schiffes erhöhen.

Aber hin und wieder empfing Sam auch gute Nachrichten. In Selinujo hatte man Iridium und Wolfram gefunden. Das Land lag südlich von Hackings Territorium, und die Botschaft wurde von einem Prospektor überbracht, der aus Mißtrauen, jemand anderer könne davon erfahren, seine Entdeckung persönlich überbrachte. Allerdings, so sagte er ebenfalls, sei Selina, Hastings nicht dazu bereit, die Leute von Parolando auf ihrem Land schürfen zu lassen. Hätte sie gewußt, daß Sams Männer bereits fleißig dabei waren, hätte sie den Prospektor auf der Stelle des Landes verwiesen. Zwar zeigte sie sich nicht unfreundlich (sie liebte Sam Clemens schon deswegen, weil er ein menschliches Wesen war), aber andererseits hatte sie nicht vor, den Bau seines großen Schiffes zu unterstützen.

Sam explodierte daraufhin und versprühte, wie Joe Miller später verbreitete, »Blitfe, die man im Umkreif von vier Meilen fehen konnte«. Wolfram wurde dringend zur Herstellung von Maschinenwerkzeugen gebraucht, aber auch, um Funk- und Fernsehanlagen zu bauen. Das Iridium konnte man dazu verwenden, Platin härter zu machen, das man für wissenschaftliche und medizinische Instrumente und die Spitzen von Schreibgeräten brauchte.

Der geheimnisvolle Fremde hatte Sam einst erzählt, daß er in unmittelbarer Nähe ein Mineralienlager eingerichtet habe, von dem seine Kollegen nichts wüßten: Bauxit, Kreolith, Platin, Wolfram und Iridium. Aber irgend etwas war dabei schiefgegangen, und man hatte weder Wolfram noch Iridium gefunden. Und nun lag es mehrere Meilen von den ersten Lagern entfernt.

Da er einige Zeit benötigte, um über die neue Situation nachzudenken, unterließ Sam es, John sofort von dieser Entdeckung zu unterrichten. Er zweifelte nicht daran, daß Johns Argumente auf zwei Alternativen bestehen würden, wenn er erst davon erfuhr: Entweder man rückte die benötigten Dinge heraus oder mußte mit einem Krieg rechnen.

Während Sam nachdenklich über die »Brücke« marschierte, und eine grüne Rauchwolke nach der anderen ausstieß, drang der Klang entfernter Trommeln an seine Ohren. Es dauerte eine Weile, bis er herausfand, daß sie im Kode Hackings Nachrichten verbreiteten. Ein paar Minuten später erschien Firebrass am Fuß der in sein Haus führenden Leiter.

»Sinjoro Hacking weiß alles über die Wolfram- und Iridiumfunde in Selinujo. Des weiteren läßt er Ihnen mitteilen, daß er es begrüßen würde, wenn Sie mit Selina, zu einem Geschäft kämen, aber Sie sollten sich hüten, ihr Land zu überfallen, weil er dies gleichzeitig als eine Kriegserklärung gegen sich werten würde.«

Sam blickte aus dem Steuerbordfenster auf Firebrass hinunter. »Da kommt John Hitzkopf«, sagte er. »Es scheint, als hätte er die Nachricht mitgehört. Sein Spitzelnetz ist beinahe so gut wie das Ihre, würde ich sagen. Ich weiß nicht, wo die Lücken in meinem eigenen sind, aber offenbar sind sie so groß, daß ich, wenn ich ein Schiff wäre, sicher schon durch die Maschen geschlüpft und abgesoffen wäre.«

Keuchend und schnaufend, mit wütendem Blick und von der Anstrengung gerötetem Gesicht trat John ein. Seit es Äthylalkohol gab, war er noch fetter geworden und machte die halbe Zeit über den Eindruck volltrunken und die ganze Zeit über halbbetrunken zu sein.

Obwohl Sam sich ebenfalls ärgerte, konnte er doch nicht umhin, sich zu amüsieren. Natürlich wäre es John, einem Ex-König von England, lieber gewesen, wenn er ihn in seinem Palast aufgesucht hätte, aber da er genau wußte, daß Sam das nicht tat, und er es sich außerdem nicht erlauben konnte, abwesend zu sein, wenn Firebrass Sam eine Botschaft überbrachte, hatte er wieder einmal in den sauren Apfel beißen und sich in Bewegung setzen müssen.

»Was geht hier vor?« fragte John mit lauerndem Blick.

»Das könntest du mir eigentlich sagen«, erwiderte Sam. »Was die Schattenseiten unserer Unternehmungen angeht, scheinst du mir immer um eine Nasenlänge voraus zu sein.«

»Hör auf mit dieser Klugscheißerei!« schnappte John. Ohne um Erlaubnis zu fragen, kippte er sich einen Becher voll. »Ich weiß auch ohne den Kode zu kennen, um was es bei dieser Botschaft geht!«

»Ich habe mir das auch gedacht«, sagte Sam. »Aber falls dir etwas entgangen sein sollte… « Er wiederholte, was Firebrass ihm gesagt hatte.

»Die Arroganz von euch Schwarzen ist kaum auszuhalten«, sagte John. »Ihr schreibt Parolando, einem souveränen Staat, vor, wie er seine außenpolitischen Geschäfte abzuwickeln hat. Ich will Ihnen etwas sagen: Das steht Ihnen nicht zu! Wir werden diese Metalle bekommen, auf welche Art auch immer! Selinujo hat keine Verwendung dafür; wir aber sehr wohl! Selinujo sollte es verschmerzen können, sie abzugeben. Wir werden ihnen einen fairen Tausch anbieten.«

»Und was?« fragte Firebrass. »Selinujo benötigt weder Waffen noch Alkohol. Was haben Sie schon, was Sie diesen Leuten anbieten könnten?«

»Frieden!«

Firebrass zuckte die Achseln und grinste, aber das schien John nur noch mehr hochzutreiben.

»Sicher«, sagte Firebrass. »Sie können ein solches Angebot machen. Aber was Hacking gesagt hat, gilt noch immer.«

»Hacking liebt Selinujo auf jeden Fall nicht«, warf Sam ein. »Er hat alle Chancisten aus seinem Land vertrieben, egal ob sie schwarz oder weiß waren.«

»Nur deswegen, weil sie einen totalen Pazifismus predigten. Aber gleichzeitig predigen – und praktizieren – sie auch die absolute Nächstenliebe und die Gleichheit aller Rassen. Dennoch ist Hacking der Meinung, daß sie für seinen Staat eine Gefahr darstellen: Die Schwarzen müssen sich selbst schützen, wenn sie vermeiden wollen, immer wieder versklavt zu werden.«

»Die Schwarzen?« fragte Sam.

» Wir Schwarzen«, erwiderte Firebrass lächelnd.

Es war nicht das erstemal, daß Firebrass durchblicken ließ, auf keine bestimmte Hautfarbe in seinen Ansichten fixiert zu sein. Was seine Identifikation mit den Schwarzen anging, so schien sie ziemlich schwach zu sein. Zwar war sein Leben nicht frei von rassistischen Vorurteilen der Weißen gegenüber gewesen, aber offensichtlich hatte dies wenig angerichtet. Außerdem hatte er schon öfter eine Bemerkung fallen lassen, die darauf hindeutete, daß er nicht abgeneigt war, auf Sams Schiff anzumustern.

Aber all dies konnte natürlich auch reine Vernebelungstaktik sein.

»Wir werden mit Sinjorino Hastings verhandeln«, sagte Sam. »Es wäre wirklich gut, wenn wir auf unserem Schiff über Funk- und Fernsehanlagen verfügten, und die Werkzeugfabriken könnten das Wolfram ebenfalls gebrauchen. Aber wir könnten natürlich auch ohne das Zeug auskommen.«

Er zwinkerte John zu, um ihm zu zeigen, daß er auf diese Argumentation einsteigen sollte, aber der Ex-König war stur wie eh und je.

»Was wir mit Selinujo anfangen, ist ganz allein unser Problem!« schnaufte er. »Und das geht keinen anderen etwas an!«

»Ich werde Hacking das übermitteln«, sagte Firebrass. »Er ist ein Mann mit starkem Charakter und läßt sich von niemandem zum Kasper machen; schon gar nicht von weißen Imperialisten.«

Sam hüstelte. John starrte vor sich hin.

»Und als solche sieht er Sie an!« sagte Firebrass. »Und wenn seine Definition stimmt, trifft sie auch zu!«

»Und nur, weil ich dieses Schiff bauen lasse!« schrie Sam. »Wissen Sie überhaupt, warum wir es bauen, welchem letzten Ziel es dient?«

Er kämpfte seine Wut nieder. Beinahe wäre er vor Zorn in Tränen ausgebrochen. Er fühlte Schwindel. Fast hätte er seine Informationen über den Fremden preisgegeben.

»Welchem Ziel dient es denn?« fragte Firebrass lauernd.

»Ach, keinem«, erwiderte Sam. »Ich will lediglich zu den Quellen des Flusses vordringen, und damit hat sich’s. Vielleicht löst sich dort das Geheimnis dieses ganzen Krams von allein auf, wer weiß? – Aber ich verbitte mir einfach die unqualifizierte Kritik eines Mannes, der nichts anderes tut, als auf seinem allmählich einschlafenden schwarzen Arsch zu sitzen, große Sprüche abzulassen und Brüder gleicher Kappe einzusammeln. Wenn er keine anderen Ziele hat, soll er meinetwegen damit fortfahren, aber ich stehe immer noch zu der Ansicht, daß die einzige Lösung, rassistische Vorurteile abzubauen, die absolute Integration ist. Ich bin ein Weißer aus Missouri und wurde 1835 geboren. Wie paßt das zu Ihren Ansichten? Tatsache ist jedenfalls, daß, wenn wir dieses Schiff, das allein einer Forschungsreise dienen soll, nicht bauen, es ein anderer tut. Und welche Zwecke dieser andere Jemand damit verfolgt, dürfte auf einem anderen Blatt stehen.

Bis jetzt haben wir Hackings Forderungen immer nachgegeben. Wir haben sogar seine halsabschneiderischen Preise bezahlt, obwohl es uns ein leichtes gewesen wäre, weiter flußabwärts zu fahren und uns die Sachen dort einfach zu nehmen. John hat sich sogar für die Bezeichnungen, mit denen er Sie und Hacking belegt hat, entschuldigt, und wenn Sie glauben, das sei einem Dickschädel wie ihm leichtgefallen, kennen Sie Ihre eigene Geschichte nicht. Es ist schade, daß Hacking solche Ansichten vertritt, und ich weiß, daß ich ihn damit bloßstelle, aber er haßt die Weißen. Aber wir sind hier nicht mehr auf der Erde! Die Bedingungen, unter denen wir hier leben, sind radikal anders!«

»Aber die Leute haben ihre alten Verhaltensweisen mit hierher gebracht«, sagte Firebrass. »Ihre Haßgefühle und Vorlieben, ihre Abneigungen und Neigungen, ihre Vorurteile und Reaktionen, einfach alles.«

»Aber sie sind veränderbar!«

Firebrass grinste. »Das widerspricht Ihrer eigenen Philosophie. Und solange man die Menschen nicht dazu erzieht, werden sie sich eben nicht ändern. Deswegen sieht auch Hacking keinen Grund dafür, sich anders zu verhalten. Und warum sollte er auch? Er hat hier die gleiche Ausbeutung und Niedertracht erfahren wie auf der Erde.«

»Ich habe keine Lust, mich darüber zu streiten«, sagte Sam. »Statt dessen werde ich Ihnen sagen, was wir meiner Meinung nach tun sollten.«

Er blieb plötzlich stehen und starrte aus dem Fenster. Die weißgraue Schiffshülle leuchtete in der Sonne. Welch herrlicher Anblick! Und das ganze Schiff gehörte in einem gewissen Sinne ihm. Es war ein Kind seiner Vorstellungskraft und jeden Kampf wert!

»Ich will Ihnen was sagen«, wiederholte er etwas langsamer. »Warum kommt Hacking nicht einfach hierher? Warum besucht er uns nicht einmal? Er kann sich hier umsehen und seine eigenen Schlüsse aus dem, was wir tun, ziehen. Vielleicht wird er unsere Probleme dann leichter durchschauen und feststellen, daß wir gar nicht die blauäugigen Teufel sind, die ihn versklaven wollen. Und je eher er einsieht, daß er uns helfen sollte, desto schneller wird er uns los.«

»Ich werde ihm diesen Vorschlag übermitteln«, sagte Firebrass. »Vielleicht geht er sogar darauf ein.«

»Wir werden ihn mit allen Ehrungen empfangen, die einem Staatsmann zustehen«, sagte Sam, »mit zwanzig Böllerschüssen als Salut, einem großen Empfang, einem ausgezeichneten Essen, einem guten Tropfen und Geschenken. Dann wird er erkennen, daß wir gar nicht so üble Burschen sind.«

John spuckte aus und machte »Pah!«, aber er sagte nichts darauf. Er wußte, daß Sams Anregung die beste war.

Drei Tage später brachte Firebrass Hackings Antwort: Er würde kommen, sobald Parolando und Selinujo sich über die Mineralienlieferungen geeinigt hätten.

Sam kam sich wie ein rostiger alter Kessel in einem Dampfschiff vor. Es fehlte nur noch ein Atü Druck, und er würde geradewegs in die Luft gehen.

»Manchmal glaube ich, daß deine Methoden doch die besseren sind«, sagte er ungehalten zu John. »Vielleicht sollten wir doch besser eine Armee auf die Beine stellen und uns einfach holen, was wir brauchen.«

»Natürlich«, sagte John kühl. »Und außerdem ist es nun ein für allemal klar, daß diese Ex-Gräfin von Huntingdon – sie muß übrigens von meinem alten Feind, dem Grafen von Huntingdon, abstammen – nicht bereit ist, nachzugeben. Sie ist eine religiöse Fanatikern; hirnrissig, wie du diese Leute nennst. Und Hacking wird uns angreifen, wenn wir in Selinujo einfallen. Er kann sein Wort jetzt nicht mehr zurücknehmen. Jetzt, wo er auch noch die Feuerdrache 1II hat, ist er noch stärker geworden. Aber ich will dazu nichts mehr sagen und dir auch keine Vorwürfe machen, auch wenn mich diese verfahrene Situation unablässig beschäftigt.«

Sam hielt inne und sah John an. Er hatte also nachgedacht. Das war gleichbedeutend mit schleichenden Schatten, gezückten Dolchen und unheilschwangerer, von Intrigen und Heimlichkeiten durchsetzter Luft und fließendem Blut. Der Schlafende tat in diesem Augenblick gut daran, sich zu rühren.

»Nicht daß du denkst, ich hätte mit Iyeyasu, unserem mächtigen Nachbarn im Norden, Kontakt aufgenommen«, sagte John, der in diesem Moment auf dem großen, lederbezogenen Sessel saß und gedankenverloren in seinen mit einer purpurfarbenen Flüssigkeit gefüllten Becher starrte, »aber ich besitze einige Informationen, die ziemlich sicher sind. Ich bin der Meinung, daß Iyeyasu, der sich momentan wirklich sehr stark fühlen dürfte, darauf aus ist, sich noch mehr Land anzueignen. Und ich bin ebenso sicher, daß er bereit wäre, uns einen Gefallen zu tun. Natürlich nur dann, wenn wir uns dazu verpflichten, ihm das zu einem bestimmten Preis zu vergüten… Etwa indem wir ihm ein Amphibienboot und eine Flugmaschine gäben. Er ist ganz wild darauf, selbst zu fliegen, weißt du?

Wenn er Selinujo angriffe, könnte Hacking uns dafür nicht verantwortlich machen. Wenn er Selinujo zu Hilfe käme, würde sein Reich zerstört werden und anschließend wäre sogar Iyeyasu dermaßen geschwächt, daß er für uns keinen Gegner mehr darstellte. Des weiteren hat man mir zugetragen, daß Chernsky mit Tifonujo und Hacking ein geheimes Beistandsabkommen unterzeichnet hat, für den Fall, daß Iyeyasu einen von ihnen angreift. Wenn es soweit käme, wären alle außer uns geschwächt und wir könnten uns auf einen Schlag aller Gegner entledigen. Niemand würde uns dann noch stören, das Bauxit und all die anderen Sachen wären uns sicher.«

Der Schädel unter diesem dunkelbraunen Haar, dachte Sam, muß ein Nest von Würmern enthalten. Johns Charakter war von einer solchen Schmutzigkeit, daß er beinahe schon wieder bewundernswert war.

»Hast du dich je selbst um eine Ecke kommen sehen?« fragte er.

»Wie?« John blickte auf. »Ist das wieder eine von deinen versteckten Beleidigungen?«

»Im Gegenteil. Es ist beinahe ein Kompliment. – Aber all das ist doch reine Hypothese. Wenn Iyeyasu Selinujo angreifen würde – welches Motiv sollte er überhaupt für ein solches Unternehmen vorbringen können? Man hat ihn von Selinujo aus niemals bedroht, und außerdem liegt das Land sechzig Meilen von seinem Reich entfernt. Und dazu noch auf unserer Seite des Flusses.«

»Wann hat überhaupt je eine Nation einen Grund dafür gebraucht, eine andere zu überfallen?« fragte John. »Aber Tatsache ist, daß Selinujo nicht damit aufhört, könnte…«

»Nun«, meinte Sam, »wir könnten zwar niemals zulassen, daß Parolando in derartige Dinge hineingezogen wird, aber wenn Iyeyasu selbst die Entscheidung fällt, einen solchen Angriff zu wagen, könnten wir natürlich nichts dagegen machen.«

»Und du«, schnaubte John, »nennst mich unehrlich!«

»Zumindest ich könnte nichts dagegen tun!« sagte Sam und senkte seine Zigarre. »Nichts! Und wenn etwas geschieht, das dazu beiträgt, unser Schiff schneller zu bauen, dann sollten wir es ausnutzen.«

»Die Lieferungen aus Hackings Land würden sich für die Zeit der Kämpfe natürlich verzögern«, gab John zu bedenken.

»Wir haben genug Material auf Lager, um eine Woche durchzuhalten«, sagte Sam. »Unsere größte Sorge wäre das Holz. Vielleicht könnte Iyeyasu dafür sorgen, daß wenigstens das nicht zu knapp wird, da sein Kampfgebiet sich ja südlich von uns befände. Was das Fällen und den Transport angeht, könnten wir das selbst übernehmen. Wenn er sich dazu durchringen könnte, die Invasion um ein paar Wochen zu verschieben, könnten wir auch hier einen guten Vorrat anlegen und von Hacking mehr Erz fordern, auch wenn wir dafür seine überhöhten Preise zahlen müßten. Vielleicht sollte man ihm wirklich ein Flugzeug versprechen, und zwar die AMP-1. Sie ist kaum mehr als ein Spielzeug, seit unser erstes Wasserflugzeug fertig ist. Aber das ist natürlich alles nur hypothetisch gemeint, verstehst du?«

»Ich verstehe«, sagte John. Er machte nicht einmal den Versuch, seine Verachtung zu verbergen.

Sam fühlte plötzlich das Verlangen, ihm entgegenschreien zu müssen, daß er dazu nicht das geringste Recht habe. Wessen Idee war die ganze Sache schließlich gewesen?

 

Am nächsten Tag kamen seine drei Chefingenieure ums Leben.

Sam war dabei, als es geschah. Er stand auf der Steuerbordseite des Baugerüstes der Nicht vermietbar und sah in den Schiffsbauch hinein. Ein gewaltiger Dampfkran war eben dabei, den schweren Motor, der eines der Schaufelräder antreiben würde, anzuheben. Man hatte die Maschine während der Nacht aus den Fabrikationsstätten hierher transportiert, was nicht weniger als acht Stunden gedauert hatte, und mit Hilfe des Krans, der auch über eine große Winde verfügte, vonstatten gegangen war. Die Winde und ein zusätzliches Hundert an Männern hatten mit vereinten Kräften den Motor, der sich auf stählernen Rädern bewegte, herangeschafft.

Sam war mit dem Morgengrauen aufgestanden, um sich anzusehen, wie die Maschine in das Innere des Schiffes gesenkt und mit dem Schaufelrad verbunden wurde. Die drei Ingenieure hielten sich im Inneren des Schiffsbauches auf, und Sam rief ihnen zu, ein wenig aus dem Weg zu gehen, falls die Maschine abrutschen sollte, aber das war unmöglich. Die Ingenieure nahmen drei unterschiedliche Positionen ein, um den Männern auf den Baugerüsten Signale zu geben, die diese an den Kranführer weitergaben.

Einmal wandte van Boom sich um und blickte Sam an. Seine weißen Zähne leuchteten in seinem schwarzen Gesicht. Im Schein der elektrischen Lampen hatte seine Haut beinahe die Farbe von Purpur angenommen.

Und plötzlich geschah es. Eins der Kabel, an denen der Motor hing, riß; dann ein zweites. Der Motor drehte sich und sackte seitlich ab. Eine Sekunde lang standen die drei Ingenieure wie erstarrt da, dann setzten sie sich in Bewegung. Aber es war zu spät. Der Motor löste sich aus seiner Halterung und zerschmetterte sie.

Der Aufprall der gewaltigen Maschine auf dem Schiffsboden ließ die ganze Konstruktion erzittern. Sogar das Gerüst, auf dem Sam stand, vibrierte wie bei einem Erdbeben.

Das Blut der Getöteten lief unter der Maschine hervor.

 

Auf dem Zeitstrom
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